»Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken, durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.« — So lautet das wohl beliebteste Zitat in deutschen Schriftmusterbüchern. Ich habe weniger hochtrabende Ansprüche als Friedrich Schiller, was die ins Auge gefasste Zeitspanne angeht, aber ich stimme ihm aus vollem Herzen zu, was die potenzielle Kraft der Schrift ist: Körper und Stimme zu sein.
In der Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Kunden ist es außer Mode gekommen, vor dem Geschäft laut rufend auf und ab zu gehen. Die Schrift ersetzt zu großen Teilen diese sehr direkte Ansprache. Doch Vorsicht: auch mit Schrift kann man vor seinem Laden herumbrüllen, statt charmant herein zu bitten. Der Schrift den richtigen Körper zu geben und die Stimmlage angemessen zu justieren, darin sehe ich meine wichtigste Aufgabe.
Ganz wie im täglichen Leben transportiert die Schrift als Stimme einerseits die Identität des Sprechenden, jede Stimme ist einzigartig und wiedererkennbar. Andererseits passt jeder Mensch seine Stimmlage der Situation an: man wünscht sich anders gute Nacht als man Freunde am anderen Ende des Alexanderplatzes auf sich aufmerksam macht.
Wie überträgt sich das nun in Firmenerscheinungsbilder? Die gute Nachricht zuerst: alles ist machbar. Die Welt der Schrift bietet derart viele Lösungsmöglichkeiten, dass für jede Situation das passende gefunden oder gezeichnet werden kann.
Schriftzüge, das Wort als Bild
Die visuelle Kraft und Eindringlichkeit von Schriftzügen wird oft unterschätzt, wenn es darum geht Firmen, Marken oder Produkten eine Gestalt zu geben. Beim Gestalten von Schriftzügen steht im Vordergrund, ein bildhaftes Ganzes zu erzielen, das wiedererkennbare Identität schafft und vermittelt. Je nach Entfernung der Schrift zum möglichen Empfänger sollte die Stimmlage gehoben oder gesenkt werden.
Displayfonts
“To put something on display” heißt, etwas auszustellen, etwas herauszuheben und besonders darauf hinzuweisen. Displayschriften sind dem gemäß Fonts mit lauterer Stimmlage. Welchen semantischen Ton sie treffen, ist damit noch nicht gesagt, das ist über den Entwurf steuerbar. Displayschriften müssen grundsätzlich funktionieren wie Textschriften. Das bedeutet, hier geht es nicht um das Erschaffen eines einzelnen Bildes, sondern um das Konzipieren eines Zeichensatzes, in dem sich alle Zeichen gleich gut miteinander kombinieren lassen.
Displayschriften können deswegen etwas weniger Eigenheit transportieren als Schriftzüge, aber dennoch können sie die Identität eines Unternehmens nachhaltig prägen. Mit einer Displayschrift stellt man die schriftliche Identität eines Unternehmens auf ein breiteres Fundament, da sie beim Einsatz in vielfältigen Medien die Stimme des Absenders tragen kann. Die Entwicklungskosten können dabei in überschaubarem Rahmen gehalten werden, denn eine Displayschrift muss nicht die gleichen Anforderungen erfüllen wie eine Leseschrift für Mengentext.
Hausschriften, Textfonts
Eine Hausschrift kann eine Displayschrift sein, muss aber nicht. Eine Hausschrift kann auch eine Textschrift sein, die mit leiserer Stimme zum Leser spricht, der sich nicht auf die Stimme konzentrieren möchte, sondern auf das Gesagte. Eine Hausschrift kann als Textschrift für ein Unternehmen aus dem reichen, existierenden Bestand gewählt werden; sie kann ebenfalls über die Modifikation einer bestehenden Schrift individueller – und damit identitätstragender – gestaltet werden; oder sie kann auch gänzlich neu entworfen werden.
Im besten Fall sollte eine Hausschrift für Mengentext zumindest in den Schnitten regular und fett mit den zugehörigen Kursiven ausgebaut sein. Das gibt Ihnen als Sender innerhalb einer Botschaft die Möglichkeit, die Stimmlage in der Kurzdistanz anzupassen, sie modulieren zu können.
Die Entwicklungskosten für eine Hausschrift als Textfont hängen ab von der Anzahl der zu zeichnenden Schnitte und der Anzahl der zu zeichnenden Schriftzeichen. Für Nord- und Westeuropa liegt der Standard bei 256 Zeichen, für die Europäische Union bedarf es weiterer Akzente und Zeichen. Für weltweit agierende Unternehmen ist ein Ausbau auch für nicht-lateinische Zeichensysteme (kyrillisch, arabisch, chinesisch) erwägenswert, in Abhängigkeit der Zielmärkte.
Was wollen Sie sagen?
Die Welt der Schrift ist ein umfassender Kosmos. Gerne berate ich Sie bei der Auswahl der Lösung, die für Ihre Zwecke die richtige ist. Dazu muss ich wissen, wer Sie sind, was Sie sagen möchten, wem Sie es sagen möchten und wie weit der ungefähr von Ihnen weg steht.
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Dieser Beitrag erschien zuerst im November 2013 bei LetterinBerlin. Find the English version here.