Im Sommer 2015 begann die große Krisensituation vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in der Berliner Turmstraße. Lilli Artmann engagierte sich dort als Flüchtlingshelferin. Als ich sie im Herbst ansprach, was ich tun könnte, sagte sie: »Ganz ehrlich, die brauchen dringend Visuelle Kommunikation.« Daraufhin sprach ich Anna Gaißmaier an, die eine ausgewiesene Expertin für Wegeleitsysteme ist. Zu dritt wandten wir uns an das LAGeSo und boten unsere Hilfe an.
Etwa zur gleichen Zeit wurde ein Krisenstab für den Campus Turmstraße gebildet, in dem auch Vertreter des Facility Managements, der Hilfsorganisationen und der Polizei saßen. Unsere Arbeit begann damit, deutliche Lagepläne zu erstellen und auf dem Gelände jene Punkte zu identifizieren, an denen visuelle Informationen notwendig waren. Dabei unterschieden wir die drei Kategorien Medizin, Versorgung und Verwaltung und ordneten ihnen Farben zu.
Bei den Piktogrammen wollten wir nicht bei Null anfangen. Stattdessen entschieden wir, an dem System anzudocken, das das Buero Bauer in Wien open source veröffentlicht hatte. Das »First Aid Kit« war hauptsächlich für Innenräume und Unterkünfte konzipiert, weswegen ich die Zeichnungen für den Einsatz im Außenraum modifizierte und fehlende Zeichen ergänzte.
Die erste Fassung unseres Wegeleitsystems produzierten wir im Copyshop aus laminierten, farbigen A3-Papieren, die wir mit Kabelbindern und Klebeband Anfang Dezember auf dem Gelände montierten. Die Schilder wurden im folgenden Frühjahr durch festere Materialien ersetzt.
Kurz darauf wurden wir aufgefordert, ein Konzept mit Angebot für die Erstellung eines temporären Wegeleitsystems für die Nutzung des ICCs als Leistungszentrum zu erstellen. Zwischen Beauftragung und Abnahme lagen lediglich 5 Wochen.
Das Wegeleitsystem sollte temporär sein, da das ICC von Beginn an nur zur Zwischennutzung gedacht war. Außerdem steht es unter Denkmalschutz, so dass alle Veränderungen am Gebäude spurlos rückbaubar sein mussten. Eine zusätzliche Herausforderung lag in der Tatsache, dass in dem Gebäude bereits eine Beschilderung existierte, die nicht entfernt werden konnte. Wie bereits in der Turmstraße musste sich unser System also wie eine zweite Schicht über den Bestand legen.
Das Nutzungskonzept für das ICC sah vor, dass etwa ein Drittel der täglich 1000 bis 1400 Flüchtlinge ihre Angelegenheit direkt vor Ort erledigen konnten. Dabei ging es um jene Dinge, für die keine Einsicht in die Akte erforderlich ist. Die anderen zwei Drittel checkten im ICC ein, woraufhin ihr Anliegen registriert und in die Turmstraße vorgemeldet wurde. Während in der Turmstraße ihre Akte ausgehoben und dem Sachbearbeiter zugestellt wurde, sollten Sie im ICC auf einen Bustransfer dorthin warten. Dieses Verlagern der teilweise langen Wartezeiten an einen anderen Ort wurde vielfach kritisiert. Die neue Wartesituation mit ausreichend vielen Sitzgelegenheiten, vor Wind und Wetter geschützt und mit sanitären Anlagen für alle Bedürfnisse war jedoch zweifelsfrei eine enorme Verbesserung für die betroffenen Menschen.
Wie bereits in der Turmstraße versuchten wir, so viel wie möglich über Piktogramme zu kommunizieren und möglichst wenig auf sprachlicher Ebene. Wo dies doch notwendig erschien, begrenzten wir es auf die sechs Leitsprachen Deutsch, Arabisch, Englisch, Farsi/Dari, Russisch und Tigrinya. Als Schrift verwendeten wir die Noto Sans, die von Monotype entwickelt wurde und von Google kostenlos zur Verfügung gestellt wird, weil sie alle notwendigen Schriftsysteme abdeckt.
Zu den zentralen »Landmarks« der Wegeleitung wurden Kästen aus Rigipsplatten, die primär den Zweck hatten, die nicht verwendeten Rolltreppen und Treppenaufgänge einzuhausen und die wir bereits bei der ersten Begehung vorfanden. Als zweites hervorstechendes Element kamen Banner hinzu, die einfach an den Geländern der Galerie befestigt werden konnten und die überwiegend die Lage von sanitären Einrichtungen und die Aufgänge zu den Büroräumen kennzeichneten. Darüber hinaus bedurfte es einer großen Zahl mobiler Aufsteller und Kleinschilder zur Kennzeichnung von Räumen. Eine große Herausforderung war, über die verschiedenen Materialien hinweg eine halbwegs einheitliche Farbabstimmung zu erreichen.
Das ICC diente vom 20. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2017 als Leistungszentrum des LAGeSo, später des neu geschaffenen Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Seit Juli 2017 sind alle Funktionen im neuen Standort in der Darwinstraße gebündelt.
In summer 2015 the critical situation in front of Berlin’s Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Turmstraße started. Lilli Artmann was fully committed to helping the refugess there. When I asked her in autumn what I could contribute, she replied: “To be honest, they urgently need visual communication.” After that I addressed Anna Gaißmaier who is a renowned expert in wayfinding systems. The three of us contacted LAGeSo and offered our help.
Around the same time a crisis committee for the Turmstraße site was established that also comprised representatives of the facility management, the aid organisations involved and the police. Our work started with drawing clear site maps and with identifying the spots on the grounds where visual information was needed. At it we distinguished three categories—Medical Aid, Sanitary & Food Supply, Administration—and assigned colours to them.
Regarding the pictograms, we did not want to start from scratch. Instead we decided to build up on the system published open source by Buero Bauer in Vienna. Their “First Aid Kit” was mainly designed for interior spaces and shelters which is why I modified drawings for outdoor use and added missing symbols.
We produced the first version of our wayfinding system in a copyshop out of laminated, coloured A3 sheets that we mounted on the grounds in early December with tape and cable ties. These signs where replaced the following spring by more durable materials.
Shortly thereafter we were asked to hand in a concept with quote for the development of a temporary wayfinding system for Berlin’s then empty International Congress Center (ICC) that had been chosen as provisory point of contact for the refugees. Five weeks only seperated commission from taking over.
Given the provisory character of the undertaking the wayfinding system was supposed to be temporary. Furthermore, the ICC is a protected structure which meant that all alteration within the building needed to be removable without a trace. An extra challenge resided in the fact that there was of course the building’s original wayfinding system in place which could not be taken out. Just as before in Turmstraße, our system had to overlay all givens.
ICC’s usage concept foresaw that about a third of the 1000 to 1400 refugees daily would be able to settle their matter on the spot. This regarded those cases where it was unnecessary to consult their files. The other two thirds should check in at ICC whereon they would be registered and their matter be notified to Turmstraße. While their file would be singled out in Turmstraße and delivered to the official in charge they should wait at ICC for a transfer by bus shuttle. This shifting of partially long waiting times from one place to another was often critisised. However, the waiting situation with enough seating accomodation, protected from wind and weather, and with sanitary fittings for all needs was undoubtedly a huge improvement for the people affected.
Like in Turmstraße we tried to communicate as much as we could by pictograms only and to do as little as possible on a verbal level. Where this still seemed to be necessary we reduced it to six leading languages, German, Arabic, English, Farsi/Dari, Russian and Tigrinya. As typeface we used Noto Sans that was developed by Monotype and is provided free of charge by Google, because it covered all writing systems needed.
Plasterboard boxes covering unneded escalators and staircases that we had found in place during the first inspection of the site turned into the central “landmarks” of our wayfinding solution. Its second salient element are banners that could easily be hung from the gallery and that predominanty indicated sanitary facilities and the access to office rooms. Furthermore a great number of movable stand-up displays and small scale signs were needed to designate spaces and rooms. To at least halfways match the colouring scheme across so many different media was a huge challenge.
The ICC served refugees as central point of acces to administration from May 20, 2016 to June 30, 2017, first under the auspices of LAGeSo, later of the newly created Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Since July 2017 all functions have been united under the roof of a new location in Berlin’s Darwinstraße.
Visuelle Orientierung LAGeSo / ICC. Kooperation Lilli Artmann, Anna Gaißmaier, Berlin ; Buero Bauer, Wien. Auftraggeber LAGeSo, Berlin.